Dada

Dada (der Begriff Dadaismus wird hier bewusst vermieden)

Dada ist eine Reaktion auf das Gemetzel des ersten Weltkriegs.

Hugo Ball, der 1916 in der Züricher Spiegelgasse wohnte (vis – à – vis von Lenins Exil-Wohnung) rief mit dem „Cabaret Voltaire“ die Keimzelle der Bewegung ins Leben.

„Die Weltgeschichte bricht in zwei Teile. Es gibt eine Zeit vor mir und eine Zeit nach mir. Eine tausendjährige Kultur bricht zusammen. Umwertung aller Werte fand statt. Der Sinn der Welt verschwand. Chaos brach hervor. Der Mensch verlor sein Gesicht, wurde Material, Zufall, Konglomerat, Tier, Wahnsinnsprodukt abrupt und unzulänglich zuckender Gedanken.“ (Hugo Ball: Kandinsky, S. 682)

Für eine solche Welt lehnten die Künstler des Dada jede Verantwortung ab. Sie lehnten den Krieg als Fortsetzung imperialistischer Politik ab und sahen die Entwicklung moderner Waffensysteme als eine perverse Parodie auf den technischen Fortschritt, dem sie somit kritisch gegenüberstanden.

Eine Welt, in der der Mensch im Namen von Aufklärung und Wissenschaft Kräfte entfesselte, die zerstörerisch auf ihn selbst zurückwirkten, verabscheuten sie zutiefst.

Tristan Tzara bezeichnete den „Ekel“ als wesentliches Motiv der Bewegung.

Dada verstand sich als Fundamentalopposition gegen alles, somit als Anti-Kunst.

„Die Kunst ist tot. Es lebe Dada!“

Für das beste Buch hielten sie das „unterlassene Buch“.

Die Kunst ins Leben zu überführen setzten sie sich als Ziel. „Der neue Künstler malt nicht mehr, sondern schafft direkt!“ (Tristan Tzara)

Die Aktion verdrängt das Werk; die Künstler treten in direkte Kommunikation mit dem Publikum, attackieren es und stellen sich leibhaftig ihrer Kritik.

„Dada (…) bedeutet nichts. Dies ist das bedeutende Nichts, an dem nichts etwas bedeutet. Wir wollen die Welt mit Nichts ändern, wir wollen die Dichtung und die Malerei mit Nichts ändern und wir wollen den Krieg mit Nichts zu Ende bringen.“ (Richard Huelsenbeck: Dada S. 33)

Diese Ideologie wurde im Cabaret Voltaire als „Narrenspiel“ auf der Bühne präsentiert. Alles was dort geschah sollte zum Ausdruck bringen, dass das Zeitgeschehen ihnen keinen Respekt abnötigte. Die „große Trommel“ sollte die Kanonen übertönen.

In den Lautgedichten kommt der Zweifel der Dadaisten an der Möglichkeit zum Ausdruck, mit Worten Sinn zu vermitteln. Sie weigerten sich, „aus zweiter Hand“ zu dichten, Wörter zu übernehmen, die man nicht „funkelnagelneu“ für den eigenen Zweck erfunden hat.

(z.B. „Karawane“ von Hugo Ball)

Simultangedichte wurden, oft zu einer Geräuschkulisse, von mehreren Sprechern gleichzeitig präsentiert.

Dada bediente sich auch des theatralen Elements der Bewegung, der Masken, der grotesken Kostümierung. Ein „an Irrsinn streifender Gestus“ war gewünscht.

Nach dem Krieg löste sich Dada in Zürich auf und verlagerte sich nach Berlin, wo die Bewegung in der revolutionären Situation der Nachkriegszeit einen politischen Charakter annahm. Die provokative Absicht trat noch stärker hervor.

So störte Johannes Baader den Weihnachtsgottesdienst im Berliner Dom mit dem Zwischenruf: „Ich frage Sie, was ist ihnen Jesus Christus?“ und gab sich selbst die Antwort: „Er ist ihnen Wurst!“, worauf er wegen Gotteslästerung verhaftet wurde.

Durch Aktionen dieser Art wollte man die pharisäerhafte Moral der bürgerlichen Gesellschaft entlarven.

In der Überzeugung, dass die bestehenden Formen von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft dem „Ansturm der Arbeiterklasse“ nicht standhalten würde, wollte man einen Beitrag zu deren Untergang leisten.

Dada Berlin wurde in der Literatur vor allem vertreten durch Richard Huelsenbeck, Raoul Hausmann, Franz Jung und Walter Mehring und in der bildenden Kunst durch George Grosz und John Heartfield.

Kurt Schwitters versuchte durch die Technik der Collage den Zusammenhang der Kunst mit der zeitgenössischen Wirklichkeit herzustellen.

Die MERZ-Bühne (MERZ= Kunstwort, da Schwitter jeden Anklang an einen Ismus (= Dadaismus) vermeiden wollte) war eine Collage aus den verschiedensten Materialien und Objekten, Vorgängen und Sachverhalten (visuelle Elemente und akustische Elemente).

Grundsatz: Disharmonie

Dadaistische Dramen und regelrechte Aufführungen hat nur die Pariser Dadagruppe hervorgebracht:

André Breton, Louis Aragon, Philippe Soupault, Georges Ribenmont-Dessaignes, Marcel Dechamp und Francis Picabia. Die Aufführungen versanken meist im Chaos, an dem das Publikum einen regen Anteil hatte. Die Provokation stand auch hier im Mittelpunkt, so lockten sie Zuschauer in die Aufführung mit der Ankündigung, Charlie Chaplin würde auftreten, was natürlich nicht der Fall war. Der Skandal war das Ziel.

Natürlich verbrauchte sich diese Form sehr schnell, der inszenierte Skandal hatte bald keine Wirkung mehr.

Die Surrealisten verharrten dann nicht mehr in der Negation, sondern setzten mit dem Unbewußten einen neuen, positiven Wert.

Die Kunst wurde von ihnen als freier Ausdruck irrationaler Kräfte definiert. Sie sollte zur Umwälzung aller Lebensverhältnisse eingesetzt werden.